Die Nikon D800 ist da

Vor zweieinhalb Jahren hatte ich in diesem Blog ein paar persönliche Wünsche zum Nachfolger der D700 niedergeschrieben und heute wurde die D800 endlich vorgestellt. Zeit für einen Vergleich.

Eine Warnung vorweg: Dieser Beitrag wird etwas persönlicher als die Ankündigung der Nikon D4, da ich im Gegensatz zu dieser vorhatte, die D800 zu kaufen. Nikon macht mir diese Entscheidung schwerer, als ich gedacht hatte.

Die damalige Wunschliste für die D800 findet sich hier, ich werde die wichtigsten Punkte vergleichen:

Photomodus

  • Allgemein gibt es drei Kriterien für einen guten Sucher: Abdeckung, Vergrößerung und Eyepoint. Die Abdeckung hat mit 100% bei der D800 ihren Maximalwert erreicht – man sieht im Sucher alles, was der Sensor sieht und später in der Bilddatei landet. Dies ist sehr gut, wenngleich ich auch mit 97% oder 95% zufrieden gewesen wäre. Die Vergrößerung liegt bei der D800 bei 0,7x (wie bei der D3 und D4 ebenso) und läßt darauf schließen, wie gut man über den Sucher manuell fokussieren kann – ein wichtiges Kriterium für mich, da ich einige gute MF-Objektive besitze und weiter nutzen will. Hier ist 0,7x nicht überragend, die D700 hatte mit 0,72x eine leicht bessere Vergrößerung (vermutlich auf Kosten der Abdeckung, die nur bei 95% lag). Das letzte wichtige Kriterium für einen guten Sucher ist der Eyepoint, welcher angibt, wie weit man sein Auge vom Sucher entfernen kann und trotzdem noch das gesamte Bildfeld überblickt. Besonders wichtig ist ein hoher Eyepoint für Brillenträger, da diese (eben durch die Glasscheibe vor ihrem Auge) ihr Auge nicht beliebig dicht an das Sucherokular pressen können. Nikon hat vor vielen Jahren mit der F3HP (das HP steht für „High Eyepoint“) einen Standard von 25 mm gesetzt, welcher ein sehr komfortables Arbeiten, auch mit Brille, ermöglichte und Nikons Ruf als Konstrukteur hervorragender Sucher begründete. Der „Preis“ dafür lag lediglich in einem großen Suchergehäuse, dem „Buckel“ auf der Kamera, den alle SLR wegen des Prismas haben. Die Nikon F4 hatte noch einen Eyepoint von 22 mm, die F100 von 21 mm, mit beiden konnte man auch als Brillenträger noch bequem durch den Sucher schauen. Mit den digitalen Kameras jedoch vergaß Nikon ihre Wurzeln und ließ die optischen Qualitäten der Kamera gegenüber den elektronischen ins Hintertreffen geraten: Die D3, die D700 und auch die neue D4 haben einen Eyepoint von nur noch 18 mm. Was tat Nikon in der D800? Den Eyepoint weiter reduzieren und damit den Suchereinblick noch unbequemer machen – sie sind jetzt bei 17 mm angekommen. Aus welchem Grund, frage ich mich? Um das Prisma und damit die Kamera noch kleiner und flacher zu machen? Möchte Nikon mit den Spiegellosen konkurrieren, die gar kein Prisma mehr brauchen? Wenn eine SLR heute einen systembedingten technischen Vorteil gegenüber einer spiegellosen Kamera hat, dann ist es der optische Sucher…und ausgerechnet diesen verschlechtert Nikon. Verstehe diese Firma, wer will, ich tue es nicht. (Canon hat es bei der 5D Mark II richtig gemacht: Höherer Eyepoint von 21 mm und kein ausklappbarer Blitz.)
  • Bei der Auflösung setzt die D800 neue Rekorde: 36 Megapixel auf einem Kleinbild-Vollformat-Sensor gab es bisher noch nie. Die Pixeldichte entspricht damit ungefähr der D7000 mit ihren 16 MP auf einem APS-C-Sensor. Ein Plus für Landschafts- und Studiophotographen, die eher bei niedrigen Empfindlichkeiten arbeiten und sich über die neue Detailfülle freuen, ein Minus für Photos bei wenig Licht, denn die Lichtempfindlichkeit wird zwangsläufig schlechter, das Rauschen steigt.
  • Mit der hohen Auflösung steigt nicht nur das Rauschen, auch die Verarbeitung der Bilddaten dauert länger, die D800 kann nur noch 4 Bilder pro Sekunde aufnehmen (im Gegensatz zu 5 B/s bei der D700).
  • Nikon hat die D800 etwas kleiner und leichter gemacht als die D700, in meinen Augen nicht dringend nötig.
  • Die Liveview-Aktivierung ist im Vergleich zur D700 wesentlich einfacher geworden, auch die Umschaltung von Video- und Photomodus mit einem Drehknopf wirkt praktisch. Die Positionierung des häufig gebrauchten ISO-Knopfes ist dagegen bei der Canon 600D direkt neben dem Auslöser praktischer. Auch die beiden Knöpfe für die Liveview-Lupe (im Videomodus häufig gebraucht) muß man sich bei der D800 in einer Reihe von anderen Knöpfen links neben dem Display ertasten.
  • Zu einem Preis von 2900 EUR soll die D800 ab März 2012 verkauft werden, die Spezialversion D800E ohne Antialiasing-Filter gibt es ab April 2012 für 3200 EUR.

Videomodus

Im Allgemeinen ähnelt der Videomodus der D800 sehr dem der kürzlich erschienenden D4.

  • Der Wunsch nach manueller Belichtungskontrolle, seit Jahren Standard bei Canon, ist auch in der D800 wahr geworden, ebenso der nach Full-HD (1920 x 1080 Pixel) in wählbaren Bildraten von 24, 25 und 30 B/s.
  • Höhere Bildraten für Zeitlupenaufnahmen (50 oder 60 B/s) gibt es nur in der kleinen HD-Auflösung von 1280 x 720 Pixeln.
  • Längere Cliplängen als 5 Minuten (wie bei der D90) sind machbar, in vernünftiger Qualität sind es ungefähr 20 Minuten.
  • Die Datenrate liegt bei 24 MBit/s, ein eher mäßiger Wert, der Codec ist H.264 mit B-Frames.
  • Man kann zwischen zwei Ausschnitten des Sensors wählen: „FX“ (allerdings wie bei der D4 nur 91% der tatsächlichen Breite, hier demonstriert) und DX/APS-C.
  • Der Sensor wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständig ausgelesen (wie bei der D4), deshalb ist mit Artefakten zu rechnen.
  • Immerhin soll das Auslesen schnell genug sein, um Rolling-Shutter-Effekte zu minimieren.
  • HDMI-Ausgabe klappt in der vollen Auflösung und mit 8 Bit 4:2:2 nur, wenn keine Speicherkarte in der Kamera ist, wird auf eine Speicherkarte aufgenommen, ist das HDMI-Signal kleiner als 1280 x 720 Pixel.
  • Kopfhörer-Ausgang und Mikrophon-Eingang sind vorhanden.
  • Der Akku ist derselbe wie in der D7000 und soll bei der Videoaufnahme nur eine Stunde halten. (Vergleich 5D Mark II: anderthalb Stunden)

Persönliches Fazit

Seit der Vorstellung der D700 und kurz darauf von D90 und 5D Mark II ist viel Zeit vergangen. Viel Zeit, in der Nikon die D800 zur besten videofähigen Vollformat-Kamera der Welt hätte machen können, mit sinnvollen Entscheidungen (besserer Sucher, größerer Akku), fortschrittlichen Überarbeitungen (10 Bit Video, 4:2:2, höhere Datenraten) und vielleicht gar mutigen Schritten (4K, RAW-Video?). Das haben sie nicht getan. Nach jahrelangem Warten auf einen würdigen D700-Nachfolger kann ich nur sagen: Die D800 ist eine Kamera, die mich nicht begeistert.

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